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73. Plenarsitzung: Forschungs- und Innovationspolitik

Thema:

Forschungs- und Innovationspolitik

Redetext:

Stephan Albani (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! – Kann man das Pult ein bisschen herunterfahren?

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das können Sie selbst.

(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Hightech!)

Stephan Albani (CDU/CSU):
Hightech, genau, und man hat sie verstanden. Das nennt man intuitive Hightech.

(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Genau! Da muss man aber auch die Gefühle haben! – Heiterkeit)

– Genau.
„Wer nichts im Boden hat, der muss was in der Birne haben“ – so der Kollege Bosbach. Es wurde – auch heute – viel Merkwürdiges in diesem Hause gesagt. Dass dieser Ausspruch mehr als würdig ist, ihn sich zu merken, zeigt die heutige Diskussion; denn er beschreibt treffend, warum wir heute über die deutsche Hightech-Strategie sprechen. Ich füge als Nicht-Landwirt und Physiker hinzu: Wenn die Birne dann auch noch leuchtet, haben wir etwas richtig gemacht.

(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Oh!)

Dass wir etwas richtig gemacht haben, zeigt auch die weitere Entwicklung. Eine Hightech-Strategie setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: zum einen die Weiterentwicklung bewährter Instrumente und zum anderen natürlich neue Ansätze. Die Erfolge der bisherigen Instrumente kennen wir, und wenn dann die Opposition zu den neuen Ansätzen sagt: „Das hätten wir kaum besser machen können“, dann, denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg.

(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Das war der Herr Gehring, ich habe das nicht gesagt! – Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war die Opposition!)

– Ist doch gut, dass Sie sich davon distanzieren; denn er hat es ja richtig gesagt.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) – Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Da lege ich Wert drauf!)

Denn kaum ein anderes innovationspolitisches Thema ist von so zentraler Bedeutung. Schließlich verantworten forschungsintensive Produkte und Dienstleistungen rund 45 Prozent der deutschen Wertschöpfung. Warum das so ist und worauf es in der weiteren Entwicklung ankommt, stelle ich Ihnen analog zum Dreiklang „High, Tech und Strategie“ in drei Punkten vor.
Erstens. Die Hightech-Strategie ist eine politische Erfolgsgeschichte.
Zweitens. Wissenschaft und Forschung stehen im Dienste der Gesellschaft.
Und drittens. Wissenschaftstransfer muss auch vermittelt und verstanden werden.
Beginnen wir beim ersten Punkt: Erfolgsgeschichte. Dass man gesetzte Ziele nur mit der passenden Strategie erreicht, ist, ehrlich gesagt, klar und eine Binsenweisheit. Doch meist wirken Strategien häufiger im Verborgenen, und sie werden im Erfolgsfall sogar rückwirkend neu geschrieben.
Anders hier und anders auch bei Unternehmen: Sie müssen nicht nur Strategien haben, sondern diese jedem erläutern, der potenziell in ihre Ideen investieren soll. Nur so kann dieser abschätzen, ob Aussicht auf Erfolg besteht.
In dieser Form ist Politik eher selten verpflichtet; aber ihr Planungshorizont ist mit vier Jahren in der Regel auch wesentlich knapper bemessen. Die Hightech-Strategie ist daher in ihrer Form innovativ und fast revolutionär. Seit 2006 bündelt sie ressortübergreifend die notwendigen Kompetenzen, um die deutsche F-und-E-Landschaft aufblühen zu lassen. Eine ressortübergreifende Strategie sollte dabei nicht als eine geteilte Verantwortung in Summe, sondern als eine gemeinsame Verantwortung verstanden und gelebt werden.
Die dafür aufgebrachten Fördermillionen werden nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern punktgenau entsprechend der Strategie in zukunftsorientierte Projekte investiert. Das – und nur das – führt zu messbaren Erfolgen.
Und sie sind messbar. Aktuell: Platz eins bei den Innovationsrahmenbedingungen, Platz zwei bei den Innovationsfähigkeiten und Platz vier bei den Wettbewerbsfähigkeiten. Klare Zeugnisse und einfache Konsequenzen: Platz eins halten, Platz zwei verbessern, vier dito.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deutschland ist hinter den USA das zweitwichtigste Zielland für F-und-E-Investitionen. Kürzlich wurde der Bundeshaushalt 2015 beschlossen, der zum zehnten Mal in Folge eine deutliche Mittelsteigerung für Forschung und Bildung festschreibt. Diese Innovationen sind unser Sprungbrett, unser Ticket in die Hightechzukunft. Von Hightech profitiert vor allem der forschende Mittelstand. Deshalb wurden Forschungskooperationen zwischen Wissenschaft und Mittelstand im vergangenen Jahr ressortübergreifend mit der Rekordsumme von 1,4 Milliarden Euro gefördert. Das sind 30 Prozent mehr als 2009.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das trägt Früchte: 900 Innovationen, 300 Patente und 40 Unternehmensausgründungen hat zum Beispiel das Instrument Spitzencluster-Wettbewerb als Teilinstrument der Hightech-Strategie bereits hervorgebracht. Jeder Euro öffentlicher Förderung löst dabei eine Folgeinvestition von ungefähr 1,40 Euro seitens der Unternehmen aus. Resultat: zum Beispiel individualisierte Krebsmedikamente, patientenspezifische Kunstgelenke und druckbare organische Elektronik made in Germany. Die Internationalisierung der Spitzencluster, die Stärkung von Kooperationen zwischen Unternehmen und Fachhochschulen, weitere Förderprojekte für marktnahe Entwicklung, all diese Instrumente verkürzen den Weg von einer wissenschaftlichen Erkenntnis zu einer marktfähigen Anwendung. Das stärkt den Mittelstand, den Standort Deutschland und dient dabei den Menschen unmittelbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Katzmarek (SPD))

Punkt zwei. Wissenschaft und Forschung stehen im Dienst der Gesellschaft. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht ‑ auch das kennen Sie aus diesem Hause ‑, trägt sie an der falschen Körperstelle. Mancher Wirtschaftsprophet glaubt heute schon, Volkswirtschaften zu kennen, die bemüht sind, uns die Lorbeeren unter dem Sitzmuskel wegzuzerren. Die Motivation dabei ist: Wissenschaft und Forschung orientieren sich ähnlich wie wir alle hier im Saal an einem Auftraggeber: dem Wähler, dem Menschen, der Gesellschaft an sich. Dieser Auftraggeber gibt daher die Ziele vor. Technologien sind Mittel zum Zweck. Sie helfen uns. Schließlich soll nicht mein Smartphone oder, kurzum, die Technologie definieren, wer wir sind, sondern wir definieren uns, und die Technik steht in unserem Dienste. Daher sind natürlich auch die Geistes- und Sozialwissenschaften gleichbedeutend neben die Hightech-Strategie zu stellen. Beide zielen auf die Gesellschaft als Ganzes ab. Die sechs Themen der neuen Hightech-Strategie definieren daher die gesellschaftlich relevanten Herausforderungen und greifen diese programmatisch auf.
Drittens. Wissenschaftstransfer muss vermittelt und verstanden werden. Das ist der Punkt, der mir am wichtigsten ist. Wissenschaft und Forschung, die im Dienste der Gesellschaft stehen, brauchen Wissenschaftler und Forscher, die ihre Arbeit erklären und die sich für die Verwertung im Sinne der Gesellschaft verantwortlich fühlen. Dabei ist ganz klar: Ohne Grundlagenforschung geht es nicht. 60 Jahre Grundlagenforschung am internationalen Kernforschungszentrum CERN schufen die wissenschaftliche Basis für nuklearmedizinische Diagnostik ebenso wie nebenbei für das Internet, so wie wir es heute kennen. Angewandte Forschung fußt auf Grundlagenforschung. Am Ende steht dabei der Transfer. Aber hier haben wir ein nicht unerhebliches Problem: Ein ausgebildeter Wissenschaftler, eine ausgebildete Wissenschaftlerin haben während ihres Werdegangs ‑ weder im Kindergarten, in der Schule noch in der Uni ‑ je gelernt, den Nutzen ihrer Ideen, die praktische Umsetzung, die wirtschaftliche Verwertung als etwas Normales und im Rahmen der Prozesskette Notwendiges zu verstehen und zu lernen. So kommen angehende Akademiker bestenfalls erst am Ende ihrer Ausbildung, zum Beispiel seit einigen Jahren im Rahmen eines BMBF-Projektes, in die Verlegenheit, einmal einen Businessplans zu erstellen, der dann häufig als notwendiges Übel empfunden wird. Hier müssen wir besser werden. Hier brauchen wir einen Kulturwandel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn die Gesellschaft den Nutzen der Erkenntnis aber nicht versteht bzw. nicht verstehen kann, dann wird es schwierig; denn was wir nicht verstehen, lehnen wir ab. So sind wir evolutionär programmiert. Das kennen wir: Wat de Buer nich kennt, dat frät he nich, und kennt he nix, frät he auch nix. Der Drang zur irrationalen Neugier, eine Art Hunger des Geistes, ist heute unsere Schlüsselkompetenz zum wissenschaftlichen Fortschritt. Freude am Experimentieren, Freude am Forschen, Freude auch am Umsetzen mit dem Mut dazu, scheitern zu können, Freude am Fortschritt schlechthin ist das, was wir in diesem Hause befördern müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Katzmarek (SPD))

Auch hier setzt die neugefasste Hightech-Strategie an, etwa mit neuen Initiativen im MINT-Bereich. Innovationspolitik gehört in die Mitte der Gesellschaft, und das von Kindesbeinen an. Industrie 4.0, hier schon mehrfach erwähnt, ist da wieder ein aktuelles und schönes Beispiel. Befragt man hierzu zehn verschiedene Experten oder Personen, die sich damit beschäftigen, erhält man, oh Wunder, zehn verschiedene Definitionen. Das verwirrt und überzeugt nicht zwingend. Neben dem fehlenden einheitlichen Grundverständnis und Grundwissen haben viele dann bei diesen Zukunftsthemen im Unterbewusstsein Ressentiments. Der eine sieht düstere Bilder weltbeherrschender Maschinennetzwerke, andere fühlen sich gar von ihrem Kühlschrank bevormundet, wenn der sie daran erinnert, Milch zu kaufen. Zu wenige sehen dabei die Chancen.
Industrie 4.0 vernetzt Menschen und Prozesse, lässt sie miteinander kommunizieren. Das ist nur folgerichtig; denn auch in unserem Gehirn kommunizieren alle Bereiche miteinander. Analog gilt dafür, so wie für das, was wir anstreben: Bereiche, die nicht miteinander kommunizieren, sterben ab. Wir sollten in diesem Hause mit gutem Beispiel vorangehen. Der Tag, an dem ich das Tablet nicht mehr im Fach eins der Postmappe, die ansonsten wohlgefüllt ist, sehe, an dem wir über flächendeckendes WLAN verfügen, an dem wir alle mit einem Ja zu diesen neuen Techniken tagtäglich unser Büro in Gestalt des Tablet in der Hand tragen, ist ein Tag, an dem ich weiß, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss: Erstens. Die Hightech-Strategie, langfristige Strategien, insbesondere in Bildungs- und Forschungspolitik, sind die Grundlage zu Planbarkeit und zukünftigem Erfolg. Zweitens. Wissenschaft und Forschung werden von Menschen und für Menschen gemacht. Menschen müssen sie verstehen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, wir haben uns verstanden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)