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KAS-Frühstück zu Chancen und Risiken der Genom-Editierung
Genom-Chirurgie bietet ungeahnte Möglichkeiten: Die Forschung verspricht langfristig hocheffiziente Krebstherapien und die Heilung schwerster Erbkrankheiten. Dabei gibt es aber technologisch noch viele Hürden zu überwinden: Die Fehlerraten sind zu hoch, die Überprüfung des Ergebnisses schwierig und der Weg in die einzelne Zelle kompliziert.
Dennoch stellt sich unter dem Eindruck rasanter Forschung weltweit die Frage, ob wir genetische Veränderungen vornehmen dürfen, die auch an Nachkommen weitergegeben werden. Heute wird der Deutsche Ethikrat aus wissenschaftlicher und medizinethischer Sicht eine erste Antwort darauf geben. Doch auch politisch bewegt uns die Frage: Deshalb trafen wir uns heute Morgen auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Abgeordnetenrestaurant zu einem parlamentarischen Frühstück zum Thema “Genome Editing: Chancen und Risiken”.
Unser ehemaliger Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe begrüßte uns und machte darauf aufmerksam, dass die Fragen rund um das Thema Genom-Editierung sich neben der Wissenschaft auch an die Gesellschaft richten. Im Anschluss führten meine Kollegin Katrin Staffler (CSU) und ich als zuständige Mitglieder der Fraktionsarbeitsgruppe Bildung und Forschung politisch in das Thema ein: Aktuell erarbeiten wir in der Arbeitsgruppe ein umfassendes Positionspapier zu den Chancen und Risiken der Technologie.
Dabei wollen wir auch auf den umstrittenen Anwendungsbereich der sogenannten Keimbahneingriffe eingehen. Hiermit sind genetische Veränderung an unseren Keimzellen gemeint, deren Erbgut anders als bei den Körperzellen auch an Nachkommen weitergegeben wird. Es ist strittig, ob man derartige Eingriffe kategorisch ausschließen sollte oder zumindest die rein therapeutische Anwendung zulassen sollte. Wissenschaftlich betrachtet ist ein therapeutischer Eingriff per Genom-Editierung nämlich wesentlich einfacher zu bewerkstelligen, wenn dieser bereits in einem frühen Entwicklungsstadium menschlichen Lebens erfolgt. Dies hängt damit zusammen, dass die hier angewandten Genscheren in die jede Zelle eingebracht werden müssen, wenn man etwa eine genetisch bedingte Krankheit vollständig heilen möchte. Dies ist im Stadium der erst kürzlich befruchteten Eizelle, der Zygote, wesentlich einfacher als etwa beim Fötus. Denn während im frühen Stadium nur Dutzende Zellen “editiert” werden müssen, verfügt allein die Leber eines Erwachsenen über tausend Milliarden Zellen. Nach aktuellem Forschungsstand tritt bei jeder hundertsten Zelleditierung ein Fehler auf – bei wenigen Zellen ist das nicht dramatisch, aber wenn Milliarden fehlerhafte Zellen entstehen, könnte hier eine schwerwiegende Krebserkrankung die Folge sein.
Dies stellte auch der Humangenetiker Prof. Boris Fehse vom Hamburger UKE in seiner wissenschaftlichen Darstellung klar. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie verfolgt er die internationalen Forschungsanstrengungen. Gemeinsam mit Prof. Peter Dabrock, dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, betonte er, dass die Regulierung der damit verbundenen Forschung und Anwendungen eine gesellschaftliche Frage sei.
Tatsächlich wollen wir diese Debatte seitens der Union frühzeitig in die Gesellschaft tragen und gemeinsam klären, was wir fördern und was wir beschränken wollen. Meine Haltung orientiert sich am Wohl der Patienten: Als Arztsohn besuchte ich die Klinik meines Vaters und bemerkte, dass auf der Kinderintensivstation augenscheinlich völlig gesunde Neugeborene lagen. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass diese Kinder unter einer seltenen genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit litten und man hier nur das Sterben begleiten, aber nicht heilen könne. In so einem Moment werden einem die Grenzen der Medizin ziemlich eindrücklich bewusst. Mit einer Genom-Editierung auf der Keimbahn ist jedoch erstmals ein vielversprechender Therapieansatz am Horizont, der diese bislang aussichtslosen Krankheitsfällen ursächlich heilen könnte. Kann man angesichts dieses Leidens an einem kategorischen Verbot solcher Eingriffe festhalten, weil der Mensch nicht in die Schöpfung eingreifen darf? Zählen etwa genetische Schäden durch radioaktive Hintergrundstrahlung zur Schöpfung? Was spricht gegen die gezielte Korrektur solcher Schäden in unserem Erbgut durch die neuen Gentherapien? Als überzeugter Christ bin ich der Meinung, dass man Gott nicht auf einen Zufallsgenerator reduzieren sollte und es auch ein Heilungsgebot gibt.
Daher trete ich für eine therapeutische Anwendung von Keimbahneingriffen ein – auch wenn diese noch weit entfernt ist und einiges an Grundlagenforschung erfordert. Deshalb müssen wir bereits heute eine Förderung für die wichtige Basisforschung auf die Beine stellen und den Rechtsrahmen ordnen. Darüber hinaus ist aber klar: Gegenüber Keimbahneingriffen zur Optimierung von Menschen gilt es eine klare Grenze zu ziehen. Wer die Augenfarbe von Kindern editieren oder die Intelligenz per Genom-Editierung erhöhen möchte, der hat nicht die Rettung von Leben im Sinn. Stattdessen droht uns eine ungleiche Zwei-Klassen-Gesellschaft von genetisch optimierten und “natürlichen” Menschen. Hier muss die Politik eine moralische Grenze ziehen.