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Blog

200. Plenarsitzung: Arzneimittelrechtliche Vorschriften

Thema:

TOP 36 Arzneimittelrechtliche Vorschriften

Drucksache:

Redetext:

Stephan Albani (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Als ich vor einigen Tagen erfuhr, dass ich heute den letzten Redebeitrag zu dieser Debatte leisten darf, war ich voller Sorge. Voller Sorge nicht deswegen, weil es immer hart ist, vor einer namentlichen Abstimmung gegen den allgemeinen Störlärm anzureden. Nein, das war nicht meine Sorge. Meine Sorge war: Über welchen Gesetzentwurf wird hier heute debattiert?

Vor Ihnen steht nicht nur ein Wissenschaftspolitiker, der in der heutigen Gesundheitsdebatte sprechen darf, sondern vor Ihnen steht auch – ich bekenne das – ein Wissenschaftler, der in seinem Leben zahllose Ethikanträge gestellt hat. Wir haben Experimente mit Menschen gemacht, glücklicherweise oder einfacherweise für mich in Bereichen, wo die Patienten einwilligungsfähig waren, nämlich im Bereich der Fehlhörigkeit. Aber das Ziel der Wissenschaft ist am Ende, zu heilen. Wir wollen die großen Geißeln der Menschheit überwinden. Insofern habe ich, als ich überlegte, was ich an dieser Stelle sagen kann, mich entschieden: Ich möchte genau auf diese Zielsetzung eingehen.

Wir haben eine gute Debatte geführt. Wir haben am Mittwoch ordentliche Argumente ausgetauscht. Aber es kamen zwei Dinge vor, derentwegen ich nun konkreter werden möchte.

Das eine war: Es wurde davon gesprochen, dass Alzheimer-Demenz irreversibel ist. Nach heutiger Kenntnis ist das so. Aber vor 50 Jahren war auch Taubheit unüberwindbar. Heute ist nur eine Routineoperation notwendig, um Taube wieder hörend zu machen. Wir können in Kürze Blinde wieder sehend machen. Wir wollen in Zukunft solche Geißeln wie Tuberkulose und Kinderlähmung überwinden. So muss es auch das Ziel sein, Alzheimer-Demenz und andere neurodegenerativen Krankheiten zu heilen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn wir das tun wollen, dann brauchen wir auch die Möglichkeit, Studien mit Patienten durchzuführen, die zum Zeitpunkt der Studiendurchführung nicht mehr einwilligungsfähig sind.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja jetzt erlaubt!)

Es hieß dann am Mittwoch – das war das andere, was mir aufgefallen ist –, dass, wenn wir das durch das Gesetz zulassen, Menschen zu medizinischen Versuchsobjekten gemacht werden. Bei dieser Aussage wird im Deutschen der passive Aspekt betont: Wir machen die Menschen zu etwas. – Das ist unwahr. Die Patienten bzw. die Menschen haben zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie an solchen Studien teilnehmen.

Im Prinzip gibt es zwei Zielgruppen. Die einen sagen: Okay, ich kenne aus meinem eigenen Umfeld Menschen, die an der gleichen Krankheit wie ich leiden. Ich selbst bin noch in einem leichten Stadium der Erkrankung. Deshalb möchte ich mich zur Teilnahme an einer entsprechenden Studie bereit erklären. – Andere sagen so wie ich: Ich kenne Wissenschaft, ich weiß, wie sie betrieben wird und dass ich von ihr nicht missbraucht werde. Also bin ich dazu bereit.

Selbst dann sagen wir: Nein, das reicht nicht. Du bekommst noch eine medizinische Aufklärung darüber, was mit dir geschehen kann. Du kannst Dinge ausschließen, du kannst Dinge für Dich nicht in Anspruch nehmen, du kannst das frei entscheiden. – Wenn danach jemand in Kenntnis all dieser Dinge sagt: „Ich entscheide mich dafür“, dann ist das eine Sache der Selbstbestimmung. Dafür muss eine Probandenerklärung unterschrieben werden, die genau dies beinhaltet. Die Form für diese muss jetzt noch erarbeitet werden, damit sie diesem Anspruch genügt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich bin der Meinung, mit der Frage der Gruppennützigkeit ist auch die Frage des Altruismus verbunden: Mir kommt es nicht darauf an, dass es mir hilft. Für mich ist es völlig in Ordnung, wenn es den nächsten Generationen, meinen Kinder oder anderen, hilft; dafür stelle ich mich zur Verfügung. – Das generell ist ein Bestandteil klinischer Studien; denn man kann im Vorhinein niemals hundertprozentig sagen, dass es einem Probanden nutzt. „Eigennützig“ bedeutet in diesem Fall, dass davon ausgegangen wird, dass es dem Probanden nutzt. Aber Wissenschaft und Forschung beinhalten immer auch die Möglichkeit, dass dies danebengeht.

Diese Debatte haben wir – das möchte ich allen Beteiligten sagen – in weiten Teilen stilvoll und auf vernünftige Art und Weise geführt. Es waren auch geschichtliche Repliken dabei. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Ja, wir haben in Deutschland vor dem Hintergrund unserer Geschichte eine besondere Verantwortung, mit diesem Thema sensibel umzugehen. Wir haben nicht nur in der Gegenwart, sondern zu allen Zeiten die Verpflichtung, mit den Menschen, die unseres Schutzes bedürfen, verantwortungsvoll umzugehen. Aber wir haben auch die Verantwortung für die Gesundheit zukünftiger Generationen. Die nun vorliegende Regelung hilft uns explizit, diese Verantwortung wahrzunehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)