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225. Plenarsitzung: Technikfolgenabschätzung
Thema:
Syntetische Biologie – die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie
Drucksache:
Redetext:
Stephan Albani (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, wissenschaftlicher Fortschritt birgt Risiken. Darüber sind wir uns alle im Klaren. Dennoch ist der Umgang damit sehr unterschiedlich: Den Umgang mit Neuerungen in den eigenen vier Wänden oder im Verkehrsbereich kann man durchaus als entspannt bezeichnen. Hier sind wir neugierig und vertrauen uns schon eher mal – aber immer zugleich zögerlich – neuen Flugzeugen oder Assistenzsystemen an. Ganz anders ist dies im Bereich der Gentechnologie oder eben der synthetischen Biologie: Diese erscheint vielen als „Frankensteinforschung“ und macht Angst – oftmals unter Ausblendung aller Fakten. Die verheerenden Zukunftsszenarien von Bioterrorismus, Designermenschen und Menschen, die beim Gottspielen scheitern, sind Stoff für moderne Folklore. Glücklicherweise stellte Bischoff Karl Lehmann bereits 1996 fest, dass Gentechnik kein „Teufelswerk“ ist. Seine Einschätzung bezog er auf das Klonschaf Dolly. Da jedoch beim Klonen das Erbmaterial nicht verändert wird, war Dolly auch kein Ergebnis der Gentechnik.
Der vorliegende TAB-Bericht verschafft uns wichtige Klarheit darüber, was synthetische Biologie ist und was nicht. Die im Bericht enthaltenen Anwendungsfelder verdeutlichen, welche enormen Chancen für unser Land aus diesem rasanten Forschungsfeld erwachsen können. So bietet sich vor allem in der Medizin bedeutendes Innovationspotenzial. Kurz- und langfristig kann die synthetische Biologie zu neuen Entwicklungen bei molekularbiologisch basierten Diagnose- und Therapieverfahren, der Impfstoffentwicklung sowie der Krebsbehandlung führen. Exakt also die Gesundheitsforschungsfelder in denen unser Land heute eine globale Führungsrolle einnimmt.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es aus politischer Sicht ist diese Chancen zu fördern – ganz im Sinne des Weizsäckischen Dreisatz „Die Technik von heute ist das Brot von morgen – die Wissenschaft von heute ist die Technik von morgen.“ Dazu kommt es auf zwei wesentliche Faktoren an: Kapital und Kultur.
Bei dem Thema Kapital stellen Experten immer wieder fest, dass die Finanzierung von Biotech-Startups und der Zugang zu Risikokapital bei uns ausbaufähig sind. Der Bericht stellt fest, dass das BMBF in den vergangenen 20 Jahren eine sehr aktive Rolle bei der Unterstützung von Unternehmensgründungen in der Biotechnologie gespielt hat. Und auch wir haben seitens der Unionsfraktion immer wieder für öffentliches und privates Risikokapital gekämpft. Dennoch fehlt es in der Branche an den nötigen Mitteln. Medizinische Forschung ist kostenintensiv, stark reguliert und langwierig. Kapitalgeber für Biotechgründungen brauchen daher einen langen Atem.
Der kann sich auszahlen, wie die Beispiele großer Biotechnologieunternehmen aus den USA belegen. So ist der 1987 gegründete Biotechriese „Gilead Sciences“ heute 80 Milliarden Euro wert. Der fünf Jahre später gegründete deutsche Branchenprimus „Morphosys“ ist mit 1,6 Milliarden Euro lediglich 2 Prozent davon wert.
Doch nicht nur Wirtschaft und Arbeitsmarkt profitieren von der Zukunftsbranche. Die Forschung im Bereich der synthetischen Biologie bietet auch für die Patientinnen und Patienten hierzulande gewaltige Chancen. So gibt es bereits vielversprechende Ansätze in der Heilung schwerer Erbkrankheiten wie der Mukoviszidose oder im Bereich der personalisierten Krebsbehandlung. Auch die Möglichkeiten im Bereich der Wirkstoffforschung sind vor dem Hintergrund weltweit zunehmender Resistenzen von großer Bedeutung.
Vieles davon sind zunächst kühne Visionen. Nur wenn wir uns als Gesellschaft dieser Chancen annehmen, können diese Realität werden.
Dafür braucht es jedoch gesellschaftliche Akzeptanz für diese Forschung. Einseitig gefärbte Darstellung, Skandalisierungen und eine „Postfakten-Debatte“ wären hier verheerend. Wir brauchen kulturelles Startkapital für diese Forschung. Auch hier kann die Politik eine wichtige Anschubfinanzierung leisten. Wir brauchen eine gute sowie sachliche Informationsgrundlage. Der TAB-Bericht im Auftrag dieses Hauses ist hier ein wichtiger erster Schritt auf diesem Weg. Wichtig ist aber auch, dass wir die Menschen von Betroffenen zu Beteiligten machen. Den Dialog kann die Politik einleiten und moderieren.
Mir geht es nicht darum, die synthetische Biologie einseitig positiv darzustellen. Ich will aber dazu beitragen, dass Gleichgewicht zwischen Risiko- und Chancenbetrachtung wieder herzustellen. Wenn wir nur von den unabsehbaren Risiken und dem „Agro-Gentechnologie-Komplex“ löst das Furcht und somit Ablehnung aus. Angst ist nun mal eine starke Determinante unseres Verhaltens.
Zeigen wir den Menschen aber, dass diese Forschung aus unserer Welt eine bessere und gesündere machen kann, sorgen wir für Akzeptanz. Denn auch Hoffnung steuert unser Verhalten. So ergab eine Umfrage im vergangenen Jahr, dass die große Mehrheit ihre medizinischen Daten für neue personalisierte Therapieansätze zur Verfügung stellen würde. Datenschutz und Medizinforschung schließen sich aber nicht gegenseitig aus. Man kann beides in Einklang miteinander bringen – zum Wohl der Menschen. Das wird auch unsere Aufgabe bei der synthetischen Biologie sein.
Vielen Dank!