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Aussetzung der Abschiebungen nach Afghanistan: Fakten prüfen und ergebnisoffen entscheiden!

Der verheerende Bombenanschlag in Kabul im Mai 2017 verursachte eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, ob weiterhin Afghanen aus Deutschland in ihr Heimatland abgeschoben werden sollen. Ich plädiere für mehr Vertrauen in die deutschen Asylbehörden und mache deutlich, dass die Rückführungen vorab eine strenge Überprüfung durchlaufen.

Anfang Juni 2017 rief man uns zur außerordentlichen Fraktionssitzung zusammen und unterbrach die laufende Plenarsitzung. Seitens der Union berieten wir über die neuen Entwicklungen nach dem verheerenden Anschlag von Kabul am Mittwoch. Die Autobombe im Herzen der afghanischen Hauptstadt forderte zahlreiche Opfer und zerstörte Teile der nahgelegenen deutschen Botschaft. Bundesaußenminister Gabriel und Bundesinnenminister de Maiziere erklärten daraufhin, Abschiebungen in das Land vorerst auszusetzen.

Mit dem eingebrachten und angenommenen Koalitionsantrag „Neue Lagebeurteilung für Afghanistan“ stimmt der Bundestag dem Vorgehen der Bundesregierung zu: Bis Juli 2017 muss eine Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan vorgenommen werden. Bis dahin werden Abschiebungen mit drei Ausnahmen vorerst ausgesetzt: Bei der freiwilligen Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern sowie – nach Einzelfallprüfung – bei Straftätern bzw. terroristischen Gefährdern und bei Personen, die sich der Feststellung ihrer Identität verweigern.

Diese Entscheidung fiel uns nicht leicht. Für mich ist dies jedoch eine richtige Entscheidung, die wir im Sinne der Menschen in unserem Land getroffen haben. Wir verschaffen uns so die notwendige Zeit, um die Sicherheitslage im ganzen Land zu überprüfen und die deutsche Botschaft wieder arbeitsfähig zu machen. Denn Kabul ist nicht Afghanistan: Trotz Taliban und islamistischer Milizen können die afghanischen Sicherheitskräfte und ihre internationalen Verbündeten in vielen Teilen des Landes für Sicherheit sorgen. Dennoch: Die Situation kann sich auch rasch ändern. So galt die Gegend um Kundus lange als weitgehend befriedet, doch 2015 nahmen Talibantruppen die Provinzhauptstadt ein. Erst nach längeren Gefechten gelang die Befreiung der Stadt. Diese Dynamik haben unsere Behörden jedoch im Auge.

Zudem wird in der öffentlichen Debatte auch häufig vergessen, dass die Anerkennungsquote bei afghanischen Asylbewerbern in Deutschland außergewöhnlich hoch ist: 2016 lag diese über 60 Prozent – ein Wert weit über der Quote vieler europäischer Nachbarn. Und abgeschoben wird auch trotz des deutsch-afghanischen Rückführungsabkommens aus dem Oktober 2016 nur unwesentlich: Im vergangenen Jahr betraf dies gerade einmal 67 Personen – bei etwa 127.000 Erstanträgen und rund 24.000 abgelehnten Asylanträgen. Die Entscheidungen werden erst nach ausführlicher und genauer Prüfung und nach Klärung aller eingelegten Rechtsmittel getroffen. Der Grund für den hohen Aufwand: Eine genaue Klärung der Fluchtumstände und der tatsächlichen Bedrohungslage im Heimatland. Eine pauschale Ablehnung gibt es nicht, sogar bei den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wird im Einzelfall geprüft. Das gilt auch für straffällige oder besonders unkooperative Asylbewerber. Ihnen kann man unterstellen, dass sie bewusst eine Abschiebung in Kauf nehmen. So würde sich keine Person verhalten, die in der Heimat vom Tod bedroht ist. Auch im Sinne der tatsächlich Verfolgten müssen wir hier eine Unterscheidung vornehmen.

Eine Asylablehnung erfolgt also nicht aus Boshaftigkeit oder fehlendem Mitgefühl, sondern auf der Grundlage gerichtsfester Fakten und internationaler Vorgaben wie der Genfer Flüchtlingskonvention‎. Und genauso haben wir es seitens der Unionsfraktion im aktuellen Fall gehandhabt: Auch wenn wir mit vollem Herzen Politiker sind, machen wir keine Politik aus dem Bauch heraus. Politische Entscheidung müssen auf der Grundlage von Fakten und Argumenten erfolgen, nicht als Reaktion auf öffentliche Empörung.

Übrigens nahmen 2016 über 3.300 abgelehnte Asylbewerber das Angebot der freiwilligen Rückkehr in Anspruch. Sie sind also zu der Einschätzung gekommen, dass die Lage sicher genug für eine Rückreise ist. Und sie werden dringend für den Wiederaufbau des Landes gebraucht, der trotz Taliban und anderer Extremisten in allen Provinzen vor sich geht!